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anno dazumal aus 1891

ANNO DAZUMAL - Vor 118 Jahren

Veröffentlicht auf von G. Weber

ANNO DAZUMAL - Vor 118 Jahren

Ein Bericht aus "Die Gartenlaube" 1891

"Der internationale Verein der Freundinnen junger Mädchen"

nennt sich eine Gesellschaft, deren Zweck ins Ausland gehenden Mädchen mit Rath und Tat zu unterstützen.
Denn nicht nur materielle Schwierigkeiten sind es, welche ihnen drohen, sondern oft schwere, sittliche Gefahren, deren Opfer schon viele Ahnungslose geworden sind.
Vor dem einen wie vor dem andern will sie der bereits über die meisten großen Städte von Europa verbreitete Verein schützen.
Der zentalvorstand befindet sich in Neuchatel und besteht aus drei Frauen. Ihm zur Seite stehen die Nationalvorstände der verschiedenen Ländern, an welche sich das auswandernde junge Mädchen um Epfehlung zu wenden hat. Es erhält darauf hin die Adresse einer "Freundin" in seinem neuen Bestimmungsort und hat bei der Ankunft dieselbe aufzusuchen.

Es wird ausdrücklich betont, daß der Verein sich mit Stellenvermittlung nicht befaßt; aber das Mädchen hat doch in den schweren Zeiten des Suchens einen Halt, eine Menschenseele, die sich ihrer annimmt, die ihr Herbergen, Lehrerinnenheime oder eine andere billige Unterkunft nachweisen kann.
Hat das Mädchen dann eine Stelle, so wird es ihm ein großer Trost sein, an freien Nachmittagen die "Freundin" aufzusuchen; verläßt es den Ort wieder, so erhält es die Adresse einer andern "freundin", die am neuen Bestimmungsort ihm wieder Fürsorge und Wohlwollen zuwenden wird.

Selbstverständlich wird dieser Verein erst dann zu einer ebenso starken als wohlthätigen Macht gelangen, wenn er einmal in jeder größeren Stadt zahlreiche Mitglieder aufzuweisen hat.
Denn es sind ja nicht nur Lehrerinnen und Erzieherinnen, die auf ihn angewiesen werden sollen, sondern auch alle dienenden Mädchen, welche den Willen haben, sich anständig und gut zu halten.
Gerade für die letzteren ist die Erlaubniß, am Sonntag nachmittag zu kommen, unschätzbar, denn Sie bewahrt Sie vor dem Wirtshausgehen und vor dem Sinken durch schlechte Gesellschaft.
Manche der "freundinnen" versammeln an solchen Sonntagen eine Anzahl junger dienender Mädchen unter ihrer Aufsicht, lassen Sie spielen, vorlesen, singen und haben alle die Erfahrung gemacht, daß die Mädchen gerne kommen und für freundliche Ansprache dankbar sind.
Dies alles ist aber eine freie Liebesthat, die recht lebhaft Nachahmung seitens der vielen
halbbeschäftigen und unbefriedigten Frauen der höheren Stände finden sollte! Verpflichtet sind die "Freundinnen" nur zu den obengenannten Diensten, zu Rath und Auskunft.

Der deutsche Nationalvorstand giebt den "Rathgeber für junge Mädchen, welche in die Fremde wollen," heraus; er enthält nebst einer Anzahl Rathschläge ein Verzeichnis der Herbergen und Vereine in den größeren Städten. Den "Rathgeber" erhält das junge Mädchen von der "Freundin" ihres eigenen Ortes, diese schreibt ihren Namen, sowie den ihres Schützlings und die Adressen derer hinein, die ihm auf der Reise und am Bestimmungsort nützlich sein können.
Der Nationalvorstand giebt vierteljährlich Mittheilungen über den Fortgang der Sache und das Mitgliederverzeichnis heraus, das deutsche sowohl als das internationale. Beides wird den Mitgliedern unentgeltlich zugestellt., und aus dieser Liste sind die Adressen sämmtlicher "Freundinnen" zu erlesen, so daß das Mädchen schon an seinem Wohnort in Briefwechsel mit einer derselben treten kann.

Der jährliche Mitgliederbeitrag beträgt nur eine Mark! Einzusenden ist derselbe an eine der Damen des deutschen Nationalvorstandes: Frau Generalsuperintendant Baur in Koblenz,
Agnes Wollmayr in Berlin und Fräulein Schellbach in Raumburg a. d. S.
Möchten doch recht viele Frauen und Mädchen in gesicherterund glücklicher Lebensstellung den Entschluß fassen, als "Freundin" das Los derer zu erleichtern, die mit der Noth des Lebens kämpfen müssen!

Es ist nicht viel, was von ihnen verlangt wird, und Sie werden sicher in der neuen Fürsorge eine Quelle wirklicher Befriedigung und Freude finden.
Unsere Zeit hat auf den verschiedensten Gebieten schon gezeigt, was einmüthiges Zusammenwirken vieler kleiner Einzuelkräfte zustandezubringen vermag.

Auch die Frauenvereine sind bereits zu einer Macht geworden und haben manche schwierige soziale Frage mit Glück in Angriff genommen. Und eine solche dringende Frage liegt gewiß auch in der schutzlosen Stellung der arbeitenden Mädchen im Ausland.
Deshalb betrachten wir die Gründung des "Vereins der Freundinnen" als eine segenbringende That und empfehlen ihn warm der Beachtung unserer Leserinnen in allen Welttheilen.





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ANNO DAZUMAL - Vor 118 Jahren

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Artikel aus dem Jahre 1892 (Die Gartenlaube)

Das erste Vierteljahrhundert des "Allgemeinen deutschen Frauenvereins"

 

"Aus seinen Anfängen Großes!"

So darf heute wohl der deutsche Frauenverein mit berechtigtem Stolze sagen, wenn er zurückblickt aus seine Gründung im Jahre 1865.

Damals war ein kleines Häuflein tüchtiger und für die Förderung ihres Geschlechtes begeisterter Frauen, welch zum ersten Frauenbildungsverein zusammentraten.

Sie verließen die Bahn der bis hahin allein üblichen Wohltätigkeitsvereine, um ihren Mitschwestern die größte Wohltat, Bildung zur selbständigen Erwerbsfähigkeit, zu vermitteln.

Und es ist Staunenswerth, zu welchen Ergebnissen diese anfänglich sehr harte Pionierarbeit im Laufe von 25 Jahren gelangt ist.

Im Einverständiß mit dem Letteverein in Berlin nahm man allmählich das ganze Gebiet weiblicher Tätigkeit in Angriff: Fachunterricht in den verschiedensten Gewerben gehen heute Hand in Hand mit den höheren Bildungsanstalten, Lehrerinnen- und Arbeiterinnenheimstätten, Kindergärten, Heil- u. Pflegeanstalten.
Wahrlich ein großes Gebiet segensreicher Kulturarbeit, welches sich hier die deutschen Frauen ohne Staatshilfe, ja vielfach im Kampfe gegen Vorurtheile aller Art errungen haben!

Und heute ist alles selbstverständlich, was vor 25 Jahren gefährliche oder lächerliche Neuerung schien.
Alljährliche Frauenversammlungen, in welchen Frauen öffentlich reden, haben heute nichts Auffallendes mehr. Hunderte von aufmerksamen Zuhörern beider Geschlechter folgen den Verhandlungen der Verbandstage, dernen letzter im Oktober v. J. in München stattfand und sich zu einem befriedigenden Rückblick auf ein segensreiches Wirken und zum hoffnungsvollen Ausblick in die Zukunft gestaltet.
Der Verein verfügt bereits über so bedeutende Mittel, daß er von jetzt an begabte Mädchen mit Stipendien zum Studium bedenken kann.
Möchten doch noch viel mehr deutsche Frauen und Mädchen sich ihn anschließen, um in gemeinsamer Arbeit mit den Besten ihres Geschlechtes den Weg zu wandeln, der dem Frauenverein so großartige Erfolge verschaffte: Den Weg der ehrlichen, arbeitssamen Selbsthilfe, der in diesem Fall zugleich Tausenden von andern zur Hilfe wird!


PS: Gibt es diesen Verein noch ? 
        Ist es eine Erfolgsgeschichte geworden?

Nächster Beitrag aus dem Jahre 1892:
Das Buch von der gesunden und praktischen Wohnung.



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Artikel aus dem Jahre 1891 (Die Gartenlaube)

Im Kampf mit der Staßenschleppe

Was uns vom Standpunkt des gebildeten Geschmacks aus von der Straßenschleppe zu halten habe, das ist in Nr. 8 dieses Jahrg. der "Gartenlaube" deutlich ausgesprochen und wir hoffen, daß das dort Gesagte einigermaßen Früchte getragen habe, weil wir der Überzeugung sind, daß das Unfeine dieser Mode jeder vernünftig denkender Frau einleuchten müsse.
Daß aber der Kampf mit dem geschwänzten Unhold damit noch nicht zu Ende sein werde, das war von vornherein klar. Man hat in unseren Tagen glücklicherweise ein Wort eine größere Geltung als je in langer Frist von Jahrhunderten, es heißt "Hygieine", und in dieser Großmacht der Gegenwart ist dem guten Geschmack ein bedeutender Bundesgenosse erwachsen. Der niederösterreichische Landessanitätsrath hat sich dahin geäußert, daß ein Verbot des Tragens von Damenschleppkleidern auf den Straßen entschieden empfehlenswerth sei, da durch das Nachschleppen langer Kleider der Staub in hohen Maße aufgewirbelt werde und so den Athmungswerkzeugen Stoffe zugeführt werden können, welche "Infektionskrankheiten" verursachen.
Wirklich hat auch die Wiener Polizeidirektion Erhebungen darüber angestellt, ob ein solches Verbot wohl durchführbar sein würde, und wenn Sie zu dem Ergebnis gelangen sollte, in der That von Amts wegen gegen die freiwilligen Straßenfeger einzuschreiten, so können wir nur einen vollen Erfolg - wünschen.
Aber hübscher wäre es doch von der verehrlichen Damenwelt, wenn Sie selbst sich den Geboten der Gesundheit und des Geschmacks unterordnen würde und nicht wartete, bis der Büttel kommt und Sie dazu zwingt.



(2009: Heutzutage wird anders Staub aufgewirbelt)


nächster Beitrag aus dem Jahre 1891: "Das erste Vierteljahrhundert des allgemeinen deutschen Frauenvereins"

G. Weber

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