DER WOLFSMANDA - aus dem Salzkammergut
(Da ich vorhabe einen 2. Teil zu schreiben über Findelkinder, Hetzer, Liebe, Menschenjagd und Mord, möchte ich den 1. Teil noch einmal veröffentlichen - sollte ich nur eine positive Rückmeldung haben, schreibe ich den 2. Teil, ansonsten sollte ich es ja lieber bleiben lassen?!)
"Geh Maria, i muß nu aufi auf de Alm, de Viacher füttern."
sag ich zu meiner Frau.
Sie sitzt beim Kachelofen, schaut mich fragend an: "Muaß des sein, es wird ja glei finsta", steht auf und gibt mir einen Kuss. "Wasst eh, da Wolfsmanda......."
"Ah, es wird schon nix passiern, des is ja nur a Rederei", schon geh ich zur Kammer und hole mir den Rucksack mit den Kastanien.
Bei mir denk ich mir:
"Es is ja eh nur a Sage, der Wolfsmanda. Vor hunderten von Jahrn, habms als Wilderer dawischt und daschlagn, soll zwa Meta groß gwesen sein. A wilda Hund, jede Jungfrau sollt a bsucht habm. Wen erm aner net passt hat, hat er erm gstellt und bsiegt. Er soll aber unschuldig gwesen sein, nur se wolltn erm weghabm, de junga Burschn im Dorf. Seither soll er sein Unwesen treibn, bei uns im Salzkammergut. Genaua gsagt im Saurüsselberg. Der Berg hinterm Haus."
Schon hab ich meinen Rucksack geschultert, Maria umarmt mich noch, macht Sie sonst kaum. Einen warmen Jancker, Bergstiefel, den Flachmann, den Hut, alles hab ich dabei.
Dann gehts los, hinaus aus der Tür.
Es liegt Schnee. Bitterkalt ist`s draußen. Reif liegt auf den Ästen der Bäume.
Der Weg führt anfangs, entlang der Straße.
Nebel fällt vom Berg herein. Alles milchig traurig.
In den einzelnen Häusern gehen die Lichter an. Man sieht sie nur schemenhaft.
Ich marschiere flott dahin, bald kommt die Dämmerung. Man sieht schon nur mehr von einer Schneestange bis zur nächsten.
Nun geht`s hinein in den Saurüsselwald. Alles ist weiß, leicht angezuckert mit Schnee oder Rauhreif. Der Rest ist grau.
Zwischen halbhohen Fichten führt der Weg steil den Berg hinauf.
Durch die vielen Bäume wird es schon richtig finster. Ab und zu hört man einen Vogel wegfliegen. Der Schnee knirscht unter den Füßen, bei jedem Schritt.
Unheimliche Dunkelheit, ich gehe schneller.
Da hör ich es. Schon öfters hab ich es des späten Abend`s gehört.
Ein markerschüttender Schrei. Es hört sich an, als würde einem bei lebendigen Leib die Haut abgezogen. Erschrocken bleib ich stehen. Was war das? Soll ich umdrehen?
Die Schreie werden weniger, immer längere Abstände dazwischen. Es hört auf.
Wahrscheinlich ein jagendes Tier mir seinem Opfer.
Ich gehe weiter, die Tiere brauchen das Futter.
Die Dämmerung ist gekommen, der Nebel noch stärker.
Schemenhaft die Bäume, dämonisch tauchen sie auf aus dem Nebel, links unten liegt der Zwergenwald.
Es geht nun quer durch den Wald, beim Hexenhaus vorbei. Alt und verfallen, an manchen Tagen sieht man ein einzelnes Licht brennen. Es soll eine alte, gebeugte, sehr menschenscheue Frau in dem Haus leben. Daher nennen es die Einheimischen das Hexenhaus.
Heute brennt kein Licht im Haus. Man hört nur das Wasser aus dem kleinen Hausbrunnen, plätschern.
Beim Haus vorbei in den Buchenwald. Die Bäume sieht man nur mehr sehr vereinzelt, der Nebel ist zu stark, dicke Buchen, über 100 Jahre alt. Die Sträucher dazwischen schauen aus wie Gestalten, Figuren wie Menschen. Gespenstig.
Es knirscht links und rechts im Gebüsch. Man schaut auf, wahrscheinlich eine Hasenfamilie oder so was. Schneller, immer schneller gehts den Berg hinauf.
Durch die Schlucht beim Eisfall vorbei, welche total mit Nebel angefüllt ist zum Eissee.
Ich denk mir noch "übern Eissee werd i heut drüberlaufn, is eh schon zugfrorn".
Da kommt mir vor als ob zwischen den Bäumen, die man noch sieht, etwas hin und her gehuscht ist. Ich bleib stehen. Steh aber schon in der Schlucht.
Ich schau genauer, kann aber nichts erkennen, was es ist.
Will schnell weiter in die Schlucht einsteigen.
Schon ist`s passiert.
Da spür ich einen Schlag auf den Kopf.......
Ich weiß nicht, wieviel Zeit vergangen ist, wahrscheinlich war ich bewußtlos.
Kurz bekomme ich mit, daß ich am Boden mitgeschleift werde. Schemenhaft sehe ich noch, es zieht mich eine große Gestalt. Doch dann bin ich schon wieder geistig weggetreten. Erst später wache ich auf.
Es ist warm, hell um mich. Ich sitze an einer Feuerstelle, mein Kopf und die Augen sind eingebunden. Verkrustetes Blut an den Wangen. Ich muß verletzt sein.
Durch den Verband sehe ich nur das Licht der Flammen durchscheinen und einen Schatten......sonst nichts. Der Kopf brummt noch.
Der Schatten spricht nichts. Er gibt mir nur einen Becher zu trinken.
Zwetschgenschnaps. So sitze ich da. Armselig. Will mir den Verband herunter reißen.
Meine Hände sind zusammen gebunden, es geht nicht. Was ist passiert?
Der Schatten rempelt mich an, wahrscheinlich soll es heißen, geht es wieder.
Schon schnappt mich jemand und trägt mich auf seinen Schultern.
"Des muß a Riese sein" denk ich mir noch.
Er trägt mich, ich weiß nicht wohin. Es ist schrecklich!
Ich verlier das Bewußtsein.
Als ich die Augen wieder aufschlage, sehe ich meine Frau, über mich gebeugt, kniet Sie vor mir. Sie hat mir den Verband von den Augen genommen.
Sie hat mich schon gesucht, hat sich Sorgen gemacht, da ich stundenlang nicht aufgetaucht bin. Ich liege, wie ein Bündel zusammengeschnürt, auf der Straße vor dem Haus. So hat Sie mich gefunden.
Maria ist froh, Sie hilft mir und stützt mich zum Haus.
"Was is passiert, was war los? War`s leicht gar da Wolfsmanda?? fragt Sie.
"Ma hab i ma Sorgn gmacht". Schon sind wir im Haus.
Ich streich Ihr übers Haar und sag zu Ihr "Na, Na i bin nur gstürzt, es war net der Wolfsmanda, is ja nur a Sage, bin nur gstürzt, hat ma aner gholfn und der hatt mi so bled anbundn ghabt, wia wann i verschnürt gwen warad" und "es geht eh schon wieda."
Innerlich denk ich mir "Hab Glück ghabt, nach da Sage solln alle de den Wolfsmanda sehn und überlebn, 50 Jahr Glück habn in ernan Lebn."
Ich bin mir sicher, es war der Wolfsmanda, aber ich wollte niemand erschrecken.
Am übernächsten Tag bin ich mit meiner Frau, am hellichten Tag, bei Sonnenschein, rauf zu den Tieren gegangen. Die Tröge waren alle voll mit Kastanien.
"War`s da Wolfsmanda?"
G. Weber